#diepodcastin liest: Isabel Rohner & Regula Stämpfli empfehlen Sofi Oksanen, Gertraud Klemm, Anne Rabe, Beatrice Frasl, Mosthari Hilal, Christine Finke.

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#diepodcastin liest: Isabel Rohner & Regula Stämpfli empfehlen Sofi Oksanen, Gertraud Klemm, Anne Rabe, Beatrice Frasl, Mosthari Hilal, Christine Finke.
“Nichts verscheucht böse Träume schneller als das Rascheln von bedrucktem Papier.” Cornelia Funke
“Die Podcastin” spricht mal wieder über Bücher! Und LaStämpfli und Rohnerin haben einen ganzen Strauß an Empfehlungen dabei:

laStaempfli bringt Sofi Oksanen, Hundepark. Roman. Kiepenheuer & Witsch. Sofi Oksanen gehört zu den herausragendsten Figuren zeitgenössischer Literatur, ihre Romane verschlinge ich regelmässig. Ich habe sie an der Buchmesse 2012 mal getroffen: Sie ist gross, schön, umwerfend elegant, selbstsicher und schüchtern zugleich, eine wirkliche Mischung zum Verlieben. Ihr Debütroman aus dem Jahr 2003 Stalins Kühe erzählt vom Estland: ein Land unter der Sowjetdiktatur, das mit der Finnlandisierung den Rassismus brachte, der alle Estinnen als Prostituierte verunglimpfte. 2005 schreibt Sofi Oksanen gewaltig über die Gewalt an Frauen und auch über die Gewalt in Frauenbeziehungen. International wurde sie mit Fegefeuer, einem Theaterstück und späteren Roman bekannt, vor allem in Deutschland. Sie zeigt, wie die Kategorisierung der Menschen die Menschen kaputt macht: Alt gegen Jung, Estin gegen Russin, Alteingesessen gegen Migration, Mann gegen Frau. Oksanen wurde von ihrem Verlag rausgeschmissen als sie es wagte, über das Marketing von ihr als Frau zu beklagen -der Verlag wird dies ewig bereuen. Ich liebe den Roman: Die Sache mit Norma, umwerfend. Ein aktuelles Sachbuch dazu von der Initiative, in welcher laStaempfli Mitglied ist: Verlag & HG: “Stoppt Leihmutterschaft.” “Die neuen Gebärmaschinen. Was die globale Leihmutterschaft mit Frauen und Kindern macht. Ist auf Amazon erhältlich und muss unbedingt gekauft werden; es ist ein internationaler Überblick mit hervorragenden Essays, übersetzt vom fabelhaften Erwin Landrichter.

– Die Rohnerin bringt Gertraud Klemm: “Hippocampus”. Kremayr & Scheriau, 2019.
Die Rohnerin hat vor ein paar Wochen schon jubelnd über Klemms Roman “Einzeller” berichtet. “Hippocampus” ist noch besser! Klemm erzählt darin die Geschichte einer bereits älteren Frau, die den Nachlass einer Jugendfreundin ordnet. Diese war eine durchaus bekannte, wenn auch “umstrittene”, weil feministische Schriftstellerin, der in der patriarchalen Gesellschaft und Medienlandschaft viel und oft und immer wieder Unrecht getan wurde. Die Hauptfigur wühlt sich durch deren Leben – und beschließt, sie zu rächen. Mit Kunstinstallationen! Die Rohnerin schwärmt vom Windel-Denkmal und schließt: “Ein kluges, böses, wunderbares Buch. Selten habe ich mich im Denken und in der Weltsicht einer Hauptfigur so wiedergefunden.”
– Die Rohnerin fährt weiter mit Christine Finke: “Allein, alleiner, alleinerziehend. Wie die Gesellschaft uns verrät und unsere Kinder im Stich lässt.” Bastei Lübbe, 2016.
Gerade in Zeiten, wo in der Politik offen und laut darüber nachgedacht wird, Unterhaltszahlungen von Männern (in den allermeisten Fällen sind Frauen alleinerziehend!) zu verringern und alleinerziehenden Müttern durch die Blume oder auch ohne Blume vorgeworfen wird, sie würden “nicht mehr arbeiten wollen”, ist dieses Buch ein Muss! Denn eine solche Haltung geht komplett an der Realität Alleinerziehender vorbei. Gut die Hälfte (!) der Väter zahlt nämlich überhaupt keinen Unterhalt – und das Leben alleinerziehender Mütter besteht einzig und allein aus Arbeit. Nur leider ist diese zum Großteil nicht bezahlt. Christine Finkes Buch ist hoch politisch, sehr gut geschrieben und KONKRET: Sie nimmt uns mit in ihren Alltag mit drei Kindern. In Geldsorgen, Betreuungsprobleme, Ferien ohne jede Erholung, Überlastungen, Krankheitstage, Bettnässen. Sie führt uns die erschreckende Unwissenheit von Lehrpersonen vor Augen, die Unvereinbarkeit von Elternabenden mit Betreuung, die Lücken bei Unterstützungsinstrumenten. Die Rohnerin empfiehlt dieses Buch allen Männern. Sie empfehlt es allen Frauen. Sie empfiehlt es allen empathischen Menschen, die in ihrem Alltag kaum einen Gedanken an das Leben Alleinerziehender verwenden müssen. Und sie empfiehlt es allen Politikerinnen und Politikern. Alleinerziehende haben keine Lobby. Aber sie haben eine ganz Latte konkreter und politisch zu lösender Probleme.

laStaempfli bringt Anne Rabe „Die Möglichkeit von Glück“  Klett-Cottta. Anne Rabe studierte bis 2010 an der UdK, der Universität der Künste Berlin, „Szenisches Schreiben“, kriegte enorm jung „mit dem Mann, den ich liebe“ zwei Kinder und das ist soo umwerfend wichtig: Denn die meisten Frauen, die ich kenne, reden nie von den Kindern. Sie schreibt Songs für „Lauter schöne Frauen.“ Wer Deutschland poetisch und in kritischer demokratischer Rückschau und Vorausschau erleben will, muss diesen Roman lesen. Es ist DAS BUCH DER STUNDE, WEIL ES SOVIEL ERKLÄRT. DEN AUTORITARISMUS DER DEUTSCHEN, DIE GEWALT GEGEN KINDER – die laStaempfli bis heute auffällt und die sie immer fragen lässt: Lieben die Deutschen eigentlich ihre Kinder? Ein Buch, das erschütternd poetisch, historisch, politisch vermittelt, welche Linien der Gewalt sich durch deutsche Biografien ziehen. Es ist wirklich das beste Buch des Jahres 2023.

laStaempfli bringt “Hässlichkeit” von Moshtari Hilal, Hanser Verlag: Es geht um eine Reise in die Tiefen der Menschlichkeit.  Das Buch „Die Hässlichkeit“ von Moshtari Hilal ist umwerfend. Die Autorin ist ein Multitalent: Künstlerin, Schriftstellerin mit afghanischem Hintergrund, wohnt in Hamburg und in Berlin. Sie ist Co-Founder der „Afghan Visual Arts and History”, leitet ein Forschungsprojekt zu „Conflict with Care“. 2022 veröffentlichte sie einen Gesprächsband über globales Leben, zusammen mit der politischen Geografin Sinthurjan Varatharjah.  Beide haben dafür den Preis der Lessing Akademie in Wolfenbüttel gekriegt. Hilal ist eine dieser umwerfend begabten jungen Frauen, die von den Medien gesehen und gefördert werden – mal abwarten, was mit ihr passiert ist, wenn sie mal 45 Jahre alt ist. Hilal schreibt über die Geschichte der plastischen Chirurgie, dass bspw. Nasen-OPs sich nicht um die Nase drehen, die korrigiert werden muss, sondern es darum geht, die Existenz der Person, die diese Nase trägt, abzulehnen. Erst kürzlich meinte Laura Berman, die jüdisch-amerikanische Intendantin des Theaters Hannover zur „Die Zeit“ lachend: „Wo ich aufgewachsen bin, haben einige Väter ihren Töchtern zum 16. Geburtstag eine Nasen-OP geschenkt, damit sie ihre ‚jüdischen Nasen‘ loswerden.“ Well – here we are, mitten in Hilals Buch und ihrer poetisch-wütenden Abrechnung mit westlichen Schönheitsidealen.

– Die Roherin empfiehlt Beatrice Frasl: “Patriarchale Belastungsstörung”. Haymon Verlag, 2022.
Vielen Hörerinnen und Hörern ist Beatrice Frasl bestimmt als Macherin des Podcasts “Große Töchter” ein Begriff. Jetzt hat sie mit “Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse, Psyche” ein höchst lesenswertes Sachbuch vorgelegt. Frauen stehen in unserer patriarchalen Gesellschaft besonders unter Druck: durch Mehrbelastungen, Gewalterfahrungen, Schönheitsideale und und und. Das hat Auswirkungen auf die Psyche – doch darauf reagieren weder das Gesundheitssystem in Österreich (ihre Schilderungen sind schockierend…), noch die Gesellschaft adäquat. Es fehlt die Infrastruktur und es fehlt das politische Bewusstsein. Frasls Buch ist ein Appell zu handeln. Denn nicht zu handeln, können wir uns nicht leisten.
Abschließend der Hinweis: Weihnachten steht vor der Tür! Verschenkt und lest Bücher von Frauen! Auch Regula Stämpfli und Isabel Rohner haben einige Bücher geschrieben, die sich immer wieder zum Lesen, Verschenken und Durchdenken lohnen!
Mehr Infos:
www.isabelrohner.com
www.regulastaempfli.eu

 

Das Bild dieser Bücher-Folge von #diepodcastin wurde aufgenommen von Joachim Lapp in Sevilla – Herzlichen Dank dafür! Bearbeitet von laStaempfli 2023.