#diepodcastin ueber den Ursprung der Welt: Isabel Rohner & Regula Staempfli zu Heide Simonis, Liv Strömquist, Plasticozän statt Anthropozän & Deleila Piasko.
“Eine Frau wird immer erst ins Amt gehoben, wenn es zuvor einen Mann kräftig aus der Kurve getragen hat.” Isabel Rohner erinnert zu Beginn an das Leben der ersten Ministerpräsidentin in Deutschland, Heide Simonis, die am 12. Juli 2023 mit 80 Jahren gestorben ist. Von 1993-2005 führte sie die Landesregierung in Schleswig-Holstein an.
Es folgt eine Diskussion über die Verdinglichung der Welt am Beispiel des Zitates, über den Ausschluss von Frauen als Kollektiv und den Zusammenhang mit Individuum: Sprechendes Denken vom Feinsten mal wieder bei Isabel Rohner & Regula Stämpfli.
Geschichtsvergessen berichtet mal wieder der Tagesspiegel “Gen Z legt den BH ab” (14.7.2023) – kein Wort zu den BH-Verbrennungen in den 1960er und 1970er Jahren, kein Wort zur jahrhundertelangen Geschichte der Frauenkörpereinengung. Nein, der Tagesspiegel tut so, als würde die Geschichte erst im Juli 2023 beginnen. Schwach.
Die Rohnerin nimmt dies zum Anlass, auf die Graphic Novel von Liv Strömquist “Der Ursprung der Welt” von 2017 hinzuweisen: in einer bunten Collage zwischen Text und Zeichnungen nimmt sie die Leserinnen und Leser mit in die Geschichte der Vulva, von ihrer Tabusierung bis zur Emanzipation, von Kirchengeschichte bis Hexenprozesse, von Sklavendiskursen bis zu Marketing-Sprech. Dabei wird übrigens auch thematisiert, dass die heutigen Debatten um eine Neuinterpretierung der Geschichte (alle wichtigen Frauen müssen ja irgendwie doch Männer gewesen sein…!!?!!) alter Quark ist: Der Forscher Elis Essen-Möller (1870-1956) war schon zur Jahrhundertwende der bekloppten Meinung, Königin Christina von Schweden (17. Jahrhundert) könne ja keine Frau gewesen sein – sie habe sich ja nie für Heirat, Kinder und Mode interessiert! Diese zutiefst sexistische “Expertenmeinung” führte übrigens 1965 sogar zur Exhumierung von Königin Christinas Überresten. Und, oh Wunder: ihr Skelett war eindeutig WEIBLICH!
laStaempfli ärgert sich über Anthropozän, dieses neue Geo-Epochen-Gedöns von Männern, die einfach behaupten, der Mensch, also wörtlich der Mann, sei nun der Nabel der Welt und zerstöre die Welt. Ein informelles Männergremium hat es geschafft, wiederum Menschheitsgeschichte zu schreiben. Wikipedia meint: “Der Ausdruck Anthropozän (zu altgriechisch ἄνθρωπος ánthropos, deutsch ‚Mensch‘ und καινός kainós, deutsch ‚neu‘) entstand als Vorschlag zur Benennung einer neuen geochronologischen Epoche: nämlich des Zeitalters, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Seitdem wird er auch unabhängig von der Geologie für das Konzept einer anthropogen überformten Erde in kulturellen Kontexten verwendet.” Andros ist der Mann, Mann als Masstab usw. #diepodcastin ist ja schon mitten in der Diskussion der Geschichtsvergessenheit, deshalb passt dies sehr gut: laStaempfli schlägt präziser “Technozän” vor und die Rohnerin “Plastikozän” oder “Plasticocene” – die Verwandlung der Lebewesen in Plastik.
Die Entdeckung der Woche ist für Isabel Rohner die Schweizer Schauspielerin Deleila Piasko: Vielen schon in ihrer Rolle als “Lisa Fittko” in der Netflix-Serie “Transatlantic” bekannt, hat sie jetzt in der ZDF-Serie “Der Schatten” die Hauptrolle bekommen. Und sie ist sensationell! “Der Schatten” erzählt die Geschichte einer Journalistin, der von einer Bettlerin prophezeiht wird, dass sie an einem bestimmten Tag einen Mann umbringen wird. Einen Mann, den die Journalistin zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal kennt – doch von dem Moment an geschehen immer mehr seltsame Dinge. Eine Serie über die Schatten der Vergangenheit und die Schatten eigener Wahrnehmung. Die Serie basiert übrigens auf dem Buch von Melanie Raabe, wurde von Stefanie Veith fürs TV adaptiert, und Regie führte Nina Vukovic.
Zum Schluss hat die Rohnerin noch eine ganz persönliche gute Nachricht: Am 5. Juli fand nämlich ihre Berlin-Premiere mit “Kalte Sophie” statt – und war ein rundum beglückendes Ereignis. Fast die Hälfte des Publikums waren “Die Podcastin”-Hörerinnen und Hörer.
Links:
Bild Anonymous artist, Sheel-na-gig, 2021 Ireland. Project Sheela, Dublin, Ireland aus dem Ausstellungskatalog “Feminine power – the divine to the demonic” vom Britischen Museum, verfremdet von laStaempfli.