laStaempfli | |||
Die Rohnerin |
-strategische Synthese von Regula Stämpfli anhand historischer Beispiele: Männer werden im Krieg ermordet und morden: Frauen werden im Krieg gedemütigt, enteignet, vergewaltigt und bei siegreichem Gegner bis an ihr Lebensende unterworfen. Afghanistan nicht vergessen: Sanktionen gegen die Taliban unbedingt, denn hier werden Frauen und Mädchen tagtäglich dem islamistischen Krieg gegen alles Weibliche unterworfen. Dazu auch zum nachhören #diepodcastin zu den taliban.
sueddeutsche.de
– 07. März 2022 11:41
Leihmütter in der Ukraine
“Sie brechen am Telefon zusammen”
Die Ukraine hat sich zu einem Zentrum für Leihmutterschaft entwickelt. Jetzt ist Krieg. Was passiert mit den schwangeren Frauen – und den neugeborenen Kindern? Ein Gespräch.
Interview von Vera Schroeder
Die Ukraine ist eines der wenigen Länder der Welt, in dem Leihmutterschaft nicht nur erlaubt ist, auch die Feststellung der rechtlichen Elternschaft der Wunscheltern ist unkompliziert – soweit sie heterosexuell und verheiratet sind. Deshalb hat sich das Land in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Zentrum für Leihmutterschaft entwickelt. Jetzt ist Krieg. Ein Telefongespräch mit Susan Kersch-Kibler, Gründerin der Agentur “Delivering Dreams”, die 25 Jahre in Kiew gelebt hat und nun von New Jersey aus ukrainische Tragemütter an meist kanadische oder US-amerikanische Paare mit Kinderwunsch vermittelt.
SZ: Frau Kersch-Kibler, wie viele Leihmütter betreuen Sie mit Ihrer Agentur derzeit in der Ukraine?
Susan Kersch-Kibler: Wir arbeiten mit 28 Leihmüttern zusammen, von denen derzeit 15 schwanger sind. Dazu kommen zwölf ukrainische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen meiner Agentur, mit denen ich täglich in Kontakt stehe.
Wie geht es allen diesen Menschen und wo halten sie sich auf?
Zehn meiner Mitarbeiterinnen und 14 schwangere Frauen sind, manche mit ihren Familien, in Apartments in der westukrainischen Stadt Lwiw, wohin wir sie schon Mitte Februar zum Großteil aus Kiew gebracht haben. Wir arbeiten schon lange auch mit einer Klinik in Lwiw zusammen, sodass die Frauen dort für den Moment medizinisch gut versorgt sind. Wir sind gesegnet, dass wir das so früh gemacht haben, auch wenn viele der Leihmütter das erst mal übertrieben fanden, genauso wie die Satellitentelefone, mit denen wir sie ausgestattet haben. Jetzt wäre es nicht mehr möglich, in Lwiw Wohnungen zu finden. Die ganze Stadt ist voller Menschen auf der Flucht.
Und wo sind die anderen aus Ihrem Team?
Zwei aus dem Mitarbeiterteam sind in Kiew geblieben, sie möchten ihre Stadt und ihr Zuhause beschützen. Verrückterweise arbeiten sie sogar noch. Ich telefoniere mit ihnen und dann gehen die Sirenen an und sie rufen mich später zurück. Eine Leihmutter ist aufgrund einer Risikoschwangerschaft nicht transportfähig und möchte auch nicht umziehen. Auch um die Leihmütter, die gerade nicht schwanger sind, versuche ich mich zu kümmern, aber es ist nicht leicht.
Hatten Sie Kunden im Land, also Wunscheltern, die zum Beispiel bei der Geburt des Kindes dabei sein wollten, als der Krieg begann?
Nein, ein Paar war bis ganz kurz vorher da. Sehr kompliziert ist es für die Wunscheltern der Kinder, die nun bald in Lwiw geboren werden. Es ist derzeit einigermaßen einfach, in die Ukraine hineinzukommen, aber sehr viel schwieriger, wieder herauszukommen. Wir wissen noch nicht, wie es gehen soll.
Ihre Kunden haben keine Angst, in ein Land im Krieg zu reisen?
Manche sind extrem verängstigt. Aber grundsätzlich sind unsere Kunden meist Menschen, die jahrelang sehr viel durchgemacht haben, Fehlgeburten, künstliche Befruchtungen, Trauer. Die wollen diese Kinder mehr als alles andere in der Welt. Manche von ihnen würden sterben, um sicherzugehen, dass diese Kinder sicher sind.
Warum bringen Sie Ihre Leihmütter und das Team nicht über die Grenze, also nicht nur in eine andere Stadt, sondern in ein anderes Land?
Wir würden das wahnsinnig gern tun. Aber die Frauen möchten nicht. Keine unserer Leihmütter möchte die Ukraine verlassen. Sie fühlen sich sicher in Lwiw. Ihre Männer dürfen nicht aus dem Land. Sie wollen ihre Familien nicht verlassen. Manche sagen, dass sie es sich überlegen, wenn die Gefahr weiter nach Westen zieht. Aber natürlich wissen wir nicht, was passieren wird. Je weiter die Schwangerschaften fortgeschritten sind, umso schwieriger wird es außerdem. Die Straßen sind nicht sicher. Dazu kommt die Kälte. Die langen Schlangen bei der Ausreise. Der Stress. Es ist extrem hart für alle.
Machen Ihre Kunden Druck, dass die Tragemütter ins Ausland gebracht werden sollen?
Die Situation ist kompliziert. In allen Ländern, die an die Ukraine angrenzen, ist Leihmutterschaft verboten. Das heißt, in den Geburtspapieren würden nicht die Wunscheltern als Eltern stehen, sondern die Leihmutter und im Zweifel ihr Mann. Allein in Tschechien wäre immerhin der Wunschvater der Vater. Aber Tschechien grenzt auch nicht direkt an die Ukraine. Wir lieben unsere Kunden. Aber im Moment muss ich sie vor allem bitten, Geduld und Verständnis zu haben. Unsere Leihmütter sind echte Menschen. Menschen im Krieg. Wir müssen an alle denken.
Wie geht es den Leihmüttern psychisch?
Ein wichtiger Faktor bei der Auswahl unserer Leihmütter ist Resilienz. Aber diese Situation überfordert alle. Sie haben Angst. Um ihre Familien, ihr Zuhause, ihr Land. Sie brechen am Telefon zusammen. Ihre Familien sind übers ganze Land verstreut, aber man kann sich schlecht bewegen. Ein enger Freund einer Mitarbeiterin wurde gestern im Osten erschossen. Es ist grausam. Ich habe auch Angst. Die Ukraine ist ein Teil von mir.
Ihr Sohn ist in der Ukraine geboren, Sie haben 25 Jahre dort gelebt und immer noch ein Haus nahe Kiew. Wann waren Sie zuletzt da?
Im September. Und mein nächstes Flugticket ist für den 2. April gebucht.
Wie geht es Ihnen persönlich?
Wenn ich anfange, darüber nachzudenken, werde ich tagelang nutzlos heulen. Ich kann es nicht schultern. Also arbeite ich weiter. Ich konzentriere mich auf die Menschen, die was brauchen von mir, mein Team in der Ukraine, die Leihmütter und meine Kunden und ihr biologisches Material, das ja zum Teil auch in der Ukraine lagert. Außerdem versuche ich jenseits meiner eigenen Agentur, der Leihmütter-Community zu helfen und sie mit Wunscheltern auf der ganzen Welt zusammenzubringen, falls der Kontakt zu den ursprünglichen Wunscheltern nun wegen des Krieges abgebrochen ist. Manche Agenturen haben die Frauen einfach im Stich gelassen. Andere Agenturen in der Ukraine gehören direkt den Kliniken. Die können nicht so spontan den Ort wechseln, wie wir das konnten. Es herrscht Chaos. Es gibt viele Leihmütter an Orten, die nicht sicher sind. Wir versuchen zu helfen, aber es ist sehr schwer. Es ist eine Tragödie, die Situation.
SZ